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Estagel - Tourist-Information |
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Estagel – Im Wind der Corbières, im Schatten der Geschichte
Ort: Estagel
Region: Okzitanien
Département: Pyrénées-Orientales
Einwohner: ca. 2.000
Lage: Am Ufer des Agly, zwischen den Corbières und den östlichen Ausläufern der Pyrenäen, rund zwanzig Kilometer nordwestlich von Perpignan.
Gründung & Geschichte: Römischen Ursprungs, später ein wichtiger Punkt der Grenzregion zwischen Katalonien und Frankreich. Bekannt als Geburtsort des Revolutionsgenerals Joseph Salvador („Barthélemy“) sowie der Familie Arago – vor allem des Astronomen und Politikers François Arago.
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Der Wind kommt von den Bergen, scharf und wach wie ein Tier. Er trägt den Duft von Rosmarin, Thymian und Stein durch die engen Gassen von Estagel, wo die Häuser eng beieinanderstehen, um sich gegenseitig vor dem Tramontane zu schützen. Die Mauern sind ockerfarben, das Licht flirrt darüber wie ein seidener Schleier, und irgendwo klappert eine hölzerne Fensterlade.
Am Samstagmorgen füllt sich der zentrale Platz mit Leben. Markttag. Unter den Platanen bauen Händler ihre Stände auf: Käse aus den Corbières, Oliven, Ziegenwürste, schwere Tomaten, Honig von den Hügeln über Cases-de-Pène. Die Luft ist erfüllt vom Rufen der Verkäufer, vom Schlagen der Tüten, vom Duft nach Erde und Salz.
„Ici, on parle catalan, pas seulement français,“ sagt eine Frau, die mir ein Glas Kastanienhonig reicht. Hier spricht man Katalanisch, nicht nur Französisch. Und tatsächlich: Die Stimmen klingen weicher, musikalischer, ein wenig südlicher, wie aus einem Land, das sich an seine Sonne klammert.
In den alten Straßen erinnert vieles an vergangene Größe. Das Geburtshaus von François Arago steht noch, schlicht und unscheinbar, aber mit einer Tafel, die erzählt: „Ici est né celui qui mesura le monde.“ – Hier wurde der geboren, der die Welt maß. Arago, der Sohn des Dorfes, der die Lichtgeschwindigkeit bestimmte, die Sterne beobachtete, Minister wurde, Kämpfer für Freiheit und Vernunft.
In einem Café an der Rue Arago sitzen drei Männer, die über Rugby reden, Wein trinken und die Welt besprechen. Einer von ihnen, ein kräftiger Mann mit wettergegerbtem Gesicht, sagt:
„Arago? Bien sûr qu’on le connaît. Mais ce qu’il aurait aimé, c’est notre vin.“
Natürlich kennen wir Arago. Aber was ihm wirklich gefallen hätte, ist unser Wein.
Am Nachmittag liegt Estagel still in der Hitze. Das Licht wird golden, die Schatten länger. Auf den Hügeln rundherum stehen Reben, Zypressen, verlassene Schäferhütten. Über allem ein Himmel, der groß ist, weit und fast immer klar.
Wenn der Tramontane nachlässt, hört man den Fluss Agly unten rauschen. Er fließt wie ein Gedächtnis durch das Land, vorbei an Brücken, Feldern, Steinen, als trüge er die Geschichten aller mit sich, die je durch dieses Tal zogen – Römer, Mauren, Händler, Pilger, Soldaten.
Am Abend weht Musik über den Platz. Ein Akkordeon, ein Glas klirrt, jemand lacht. Estagel ist klein, aber lebendig – ein Ort, der sein Gleichgewicht gefunden hat zwischen Stolz und Ruhe, Vergangenheit und Gegenwart.
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Abendlied über Estagel
Im Wind der Corbières, rau und klar,
weht alter Stolz, wie er einst war.
Die Reben glühen, das Licht vergeht,
doch was hier war, nie untergeht.
Der Himmel weit, das Land so still,
ein Dorf, das einfach leben will.
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