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Fontevraud-l'Abbaye - Tourist-Information |
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Fontevraud-l’Abbaye ist eine französische Gemeinde im Département Maine-et-Loire in der Region Pays de la Loire. Sie liegt im Loiretal, etwa 15 Kilometer südöstlich von Saumur, und zählt zu den geschichtsträchtigsten Orten Frankreichs. Berühmt ist sie vor allem durch die Abbaye Royale de Fontevraud, eine der größten und bedeutendsten Klosteranlagen Europas.
Kurze historische Übersicht
Die Abtei wurde 1101 von Robert d’Arbrissel gegründet, einem charismatischen Prediger und Reformer, der im Geiste der gregorianischen Reform eine gemischtgeschlechtliche Ordensgemeinschaft schuf – eine Besonderheit in der mittelalterlichen Klosterkultur. Männer und Frauen lebten getrennt, doch unter der Leitung einer Äbtissin, was der Abtei eine außergewöhnliche Stellung verlieh. Fontevraud wurde damit ein Zentrum weiblicher Macht und spiritueller Autorität im Hochmittelalter.
Im 12. und 13. Jahrhundert gewann die Abtei großen Einfluss. Eleonore von Aquitanien, eine der mächtigsten Frauen des Mittelalters, zog sich nach dem Tod ihres Mannes Heinrich II. Plantagenet hierher zurück. Beide sowie ihr Sohn Richard Löwenherz sind in der Abteikirche bestattet. Die Grabfiguren dieser Plantagenet-Könige gehören zu den bedeutendsten Kunstwerken der romanischen Skulptur in Frankreich.
Während des Mittelalters wuchs Fontevraud zu einem regelrechten Klosterimperium mit über 40 Tochterhäusern in Frankreich, England und Spanien. Die Abtei wurde zu einem Zentrum von Bildung, Kunst und Mystik. Ihre Äbtissinnen, oft aus hochadeligen Familien, führten sie mit großem politischem Geschick.
Verfall und Umnutzung
Die Französische Revolution beendete 1792 das klösterliche Leben. Die Gebäude wurden enteignet und ab 1804 auf Befehl Napoleons in ein Gefängnis umgewandelt – eines der härtesten in Frankreich. Tausende Häftlinge lebten hier bis 1963 unter widrigsten Bedingungen. Die einstige Stille des Gebets wich dem Lärm der Ketten. Diese düstere Phase hinterließ tiefe Spuren, die bis heute in den Mauern spürbar sind.
Wiedergeburt als Kulturzentrum
Nach der Schließung des Gefängnisses begann die aufwändige Restaurierung der Anlage. Heute beherbergt Fontevraud ein europäisches Kulturzentrum, das sich der Begegnung von Geschichte, Kunst und zeitgenössischer Kreativität widmet. Es gibt Konzerte, Ausstellungen, Künstlerresidenzen und digitale Projekte. Die Abtei ist Teil des UNESCO-Welterbes „Tal der Loire zwischen Sully-sur-Loire und Chalonnes“.
Die Architektur der Anlage beeindruckt durch ihre romanische Kirche, die von 1105 bis 1160 erbaut wurde, den Kreuzgang, die Refektorien, die Dormitorien und die weitläufigen Gärten. Die Mischung aus Schlichtheit und Macht, aus Spiritualität und Geschichte macht den Ort einzigartig.
Heutige Bedeutung
Fontevraud-l’Abbaye zählt heute rund 1.500 Einwohner. Die Gemeinde lebt stark vom Tourismus, der Gastronomie und der Kultur. Viele Besucher kommen, um die Grabstätten der Plantagenets zu sehen, durch die Klosterhöfe zu schlendern oder an Konzerten im romanischen Kirchenschiff teilzunehmen. Daneben gibt es kleine Hotels, Ateliers und Weingüter, die das historische Erbe mit moderner Lebensart verbinden.
Die Abbaye Royale de Fontevraud gilt heute als Symbol des europäischen Kulturerbes – ein Ort, an dem sich Macht, Frömmigkeit, Kunst und menschliche Tragödie über Jahrhunderte überlagern.
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